Gast-Katzen
Die Geschichte mit unseren Gast-Katzen hat vor rund 11 Jahren begonnen, nachdem zuvor in der näheren Umgebung ein Bauernhaus abgebrannt war.
Damals ist uns einfach aufgefallen, dass sich vermehrt Katzen rund um unser MFH aufgehalten haben, die sich streicheln liessen und miauten. Mit der Zeit wurden uns einige davon vertraut und wir kauften uns das erste Säckli mit Katzen-Trockenfutter. Davon nahmen wir eine kleine Portion in unsere Manteltaschen und liessen einige der herumspazierenden Katzen davon knabbern. Damals wussten wir noch nicht, was in Sachen Gast-Katzen noch Alles kommen würde.
Ein paar Wochen später sass die erste Katze auf einem Gartenstuhl unseres Balkons im Hochparterre. Irgendwie hatte sie es mit einem Riesensprung auf ein Blumenkistchen geschafft und von dort aus auf den Balkon. Es dauerte nicht lange, da sassen bis zu 4 Katzen auf dem Balkon: wegen der kalten Wintertage und -nächte dicht aneinandergedrängt auf der Sitzbank. Klar, dass wir die frierenden Geschöpfe fütterten und ihnen ein wärmendes Katzenbettchen auf der Sitzbank einrichteten. Es vergingen nochmals ein paar Wochen, bis die Mutigste unter ihnen erstmals unsere Wohnung betrat und inspizierte. Kurz vor Ostern 2000 verschwanden zwei der Katzen aus dem Viererteam – und geblieben sind Schnäuzli und Gümpel. Nach unserer Rückkehr von einem Skiweekend warteten beide vor unserer Garage. Die beiden unzertrennlichen Freunde erfreuten uns in den kommenden Jahren und wurden – obwohl sie Gast-Katzen blieben und jederzeit nach draussen gehen konnten – Teil der Familie.
Da war Gümpel, der Kater: immer sehr distinguiert und besonnen sowie auch von anderen Katzen der Gegend sehr respektiert. Auch wenn er bei Machtspielen keine Gewalt anwendete, ging er immer als Sieger vom Platz. Wenn ihn seine Freundin Schnäuzli mit ihrem Schabernack ärgerte, war höchstens ein kurzes Fauchen zu hören. Und die tagsüber zeitweise verkehrsreiche Strasse überquerte er erst, wenn er hundertprozentig sicher war, dass sich nichts näherte. Dies fiel auch einigen Spaziergängern auf, denen er bei seinen Ausflügen jeweils begegnete. Man musste sich um ihn keine Sorgen machen – er war so selbstsicher. Umso unverständlicher war es, als er 2005 eines Morgens am Rande der gegenüberliegenden Strassenseite mit eingeschlagenem Schädel gefunden wurde, wo zur gleichen Zeit ein Bauer seine Wiese bewirtschaftete, welche dort nach der Erstellung eines Neubaus noch verblieben war. Unfassbar, aber wahr! Wir und auch Schnäuzli haben den liebgewonnen Katzenfreund sehr vermisst.
Schnäuzli mit ihrem verschmusten und verspielten, aber doch sehr selbstbewussten Wesen wurde danach noch zutraulicher. Obwohl sehr eigenständig, fand sie auch neue Katzenfreunde, von denen ab und zu mal einer bei uns reinschaute und etwas vom Futter naschte, um danach gleich wieder zu verschwinden. 2008 fiel uns das veränderte Verhalten von Schnäuzli auf: Anstatt wie vorher sich eher nur im näheren Umfeld aufzuhalten, überquerte sie die Strasse und verschwand im Wald oder in fremden Gärten. Ihre Besuche wurden seltener und ihr Appetit kleiner. Ab und zu sah man sie – alles andere als quicklebendig – ums Haus spazieren. Nachdem wir es mit Hilfe einer Nachbarin endlich geschafft hatten, Schnäuzli zu finden und in eine Transportbox zu legen, blieb der Gang zur Tierärztin unvermeidlich, denn wir wollten dem kleinen Geschöpf ja längeres Leiden ersparen. Leider wurde ein Nierenleiden diagnostiziert und die Chancen auf Besserung waren gering. Von der einfühlsamen Tierärztin haben wir aber auch erfahren, dass Katzen merken, wenn es mit ihnen dem Ende entgegen geht. Es ist dann die Zeit, wo sie sich ein Plätzchen zum Sterben auswählen. Schnäuzli hat diesen im Garten eines EFH in der Nähe gefunden. Zuvor kam sie aber noch vorbei, um sich bei uns zu verabschieden. Fast eine Stunde lang genoss sie unser Bei-ihr-Sein, bis sie sich endgültig davon machte. Wir waren unsäglich traurig, dass Schnäuzli nicht wiederkommen würde. Wir haben aber auch Vieles gelernt dabei!
In der Zeit danach hatten wir verschiedene Gast-Katzen – aber keine so anhänglich wie die beiden Vorgänger. Am anhänglichsten war der schon fast greise Kater Schnurrli unserer neu zugezogenen Nachbarsfamilie. Im Lauf der Zeit nahm uns gegenüber seine grosse Ängstlichkeit vor Menschen etwas ab und er wurde ein immer häufigerer Gast bei uns, besonders wenn tagsüber von der Nachbarsfamilie niemand daheim war. Aus diesem Grund entschloss sich die Familie bei ihrem Wegzug, Schnurrli uns anzuvertrauen und ihm damit einen nochmaligen Wechsel in seinem hohen Alter zu ersparen. Mit jedem Monat wurde er zutraulicher. Nach dem Tod meines Mannes legte er sich regelmässig auf eines der wenigen Kleidungsstücke von ihm, welche wir zu diesem Zweck für Schnurrli zurückbehalten hatten. Im Frühjahr 2010 wurde Schnurrli so krank (er fiel vor Schwäche dauernd vom Katzenleiterli, das wir inzwischen für ihn eingerichtet hatten), dass ich mit ihm zur Tierärztin ging und ihn entgegen meinen Prinzipien einschläfern liess: ich habe sein Leiden und seine Schwäche nicht mehr ertragen können.
Einige Monate hatten wir noch das schwarz-weisse Chueli des berufstätigen Nachbarn als Gastkatze. Sie kam jeweils, nachdem er morgens das Haus verliess und ging spätestens wieder, wenn er abends zurückkam. Chueli liess keine Nähe zu und bediente sich nicht – wie andere Gastkatzen – am Fressnapf; Chueli wollte einfach etwas Ruhe und Wärme. Unterdessen ist dieser Nachbar mitsamt Chueli weggezogen; geblieben sind diverse Gast-Katzen: Da ist mal das Röteli, dann zwei verwuschelte MainCoons sowie 2 – 3 rabenschwarze oder getigerte Katzen aus der Umgebung. Sie alle haben Eines gemeinsam: Sie sind eigentlich schon wieder weg, bevor sie recht angekommen sind. Daher nenne ich sie auch McDrive-Katzen: Sehen, ob es was Besonderes gibt, wenn ja davon knabbern und danach gleich wieder weiter.
So sind es im Moment eigentlich nur wieder zwei Gast-Katzen, die sich regelmässig bei uns heimisch fühlen: die Chlini und der Rugeli. Die Chlini ist mir besonders ans Herz gewachsen. Sie ist aufgetaucht vor 2 Jahren, als mein Mann bis zu seinem Tod drei Wochen auf der Intensiv-Station lag. Jeden Abend, wenn ich tieftraurig vom Spital heimkam, kam die Chlini daher, legte ihr Köpfchen unter mein Kinn und die Pfoten auf meine Schultern und gab mir Wärme und Trost. Seither ist sie zutraulich geblieben und kam schon im Vollspeed dahergerannt, wenn ich abends von der Arbeit kam. Ich kenne keine Katze, welche derart schnell von Null auf Hundert aufdreht, wenn sie losrennt – fast schon ein Ferrari unter den Katzen. In letzter Zeit war ich in grosser Sorge um die Chlini. Tagelang war sie nirgends zu finden. Und als sie vor 14 Tagen in einem elenden Zustand für ganz kurze Zeit daherkam, dachte ich schon: wieder eine, die sich verabschieden will, bevor sie zum Sterben geht. Fast 10 Tage hörte und sah man nichts mehr von ihr. Ich war einfach nur traurig und nudelfertig; ausgerechnet sie, die mir so ans Herz gewachsen war. So hatte ich nahezu einen Schock, als sie mir vor 4 Tagen abends plötzlich um die Beine strich. Von Schwäche merkte man nichts mehr; aber sie ist seither irgendwie verändert. Die Besuche sind kurz aber nach wie vor herzlich, bevor sie wieder verschwindet. Da sie munter aussieht, muss ich das wohl so akzeptieren und ihr ihren Willen und ihre Freiheit lassen. Aus diesem Grund hatten wir ja immer nur „Gast-Katzen“ und nie eigene Hauskatzen. Nicht immer leicht, aber gewollt!
Der treuste Gast ist zurzeit Kater Rugeli. Sein Begrüssungszeremoniell ist einzigartig und bevor dieses nicht vorbei ist, geht er auch bei Heisshunger nicht an einen Fressnapf. Er schafft es spielend, einen ganzen Tag hier zu verweilen und sich verwöhnen zu lassen – ein richtiger Pascha. Ab und zu vergisst er seine edlen Manieren und wird keck, aber man kann ihm nicht böse sein. Er ist so lieb und friedlich. Auch die anderen Gast-Katzen lässt er kommen und gehen. Er beobachtet nur – ausser wenn eine von ihnen meint, sie müsse knurren und fauchen. Da greift auch der sonst so besonnen Rugeli ein, um Ordnung zu schaffen. Ich freue mich jedes Mal, wenn er auftaucht und seinen Platz einnimmt, von wo aus er das ganze Geschehen in der Wohnung überblicken kann.
So, das wäre die Geschichte mit unseren Gast-Katzen bis heute. Wie es weiter geht, weiss ich nicht. Ich freue mich einfach an jedem Tag, wo eine der lieb gewonnen Gäste auftaucht.
Von den Fotos, welche wir im Verlauf der Zeit von den Gast-Katzen gemacht haben, habe ich jetzt ein Flashvideo erstellt. Als Hintergrundmusik habe ich das Thema „Limelight“ aus dem gleichnamigen Chaplin-Film genommen, gespielt auf der Panflöte von Gheorge Zamfir, von welchem ich eine CD besitze. Ich habe kein anderes Stück gefunden, das so gut die Zärtlichkeit, Fröhlichkeit und gleichzeitige Eigenwilligkeit der Katzen wiederspiegelt.