Perlen

Perlen (von Yvonne Sommer, September 1965)

  1. Einleitung
    In der nachfolgenden Zusammenfassung über die Geschichte der Perlen liegt das Schwergewicht bei den wertvollen Perlen bzw. bei den Perlen von Meer- und Seemuscheln. Da der Wert der Perlen von Fluss- und Süsswassermuscheln relativ gering ist, sind sie nicht Bestandteil dieses Zusammenzuges.
  2. Die Naturperlen
    Perlen im Altertum
    Seit jeher gaben die Kulturvölker des Altertums – insbesondere die Orientalen – den Perlen den Vorzug gegenüber funkelnden Diamanten und roten Korallen. Sie waren fasziniert von der anspruchslosen Schönheit der Perlen und bestimmten sie zu ihrem Lieblingsschmuck.Die Entdeckungsgeschichte der Perle wurde in einer alten indischen Sage verewigt, denn Indien das Land der Perlen. Das Innere von Grabmonumenten der Götter ist mit Perlen ausgeschmückt, indischen Gottheiten wurden Perlen als Augen eingesetzt und auf der Reliquiendose, die den Eckzahn Buddha’s enthält, prangen wertvolle Perlen.Noch in vielen anderen Ländern des Ostens waren Perlen ein geschätztes Gut. Zum Beispiel in China wurden schon 2330 Jahre vor Christus die Steuern mit Perlen beglichen. Ausserdem dienten die Perlen den Chinesen zur Herstellung von Schmuck und sie galten als Amulette gegen Feuersbrünste. Der Perlenreichtum erreichte in China und besonders am Kaiserhof seinen Höhepunkt dank einer Sitte, die fremden Gesandten befahl, beim Empfang vor dem Kaiser eine Schale auszuschütten, welche mit goldenen Wasserlilien und mit Perlen gefüllt war.Bei den Hebräern, Aethiopiern, Medern, Persern und Griechen besassen die Perlen ähnliche Bedeutungen.Von Cleopatra existiert eine interessante Episode im Zusammenhang mit Perlen. Cleopatra besass nebst vielen anderen wertvollen Schmuckstücken zwei Ohrringe, welche die zwei kostbarsten Perlen enthielten, welche je existierten. Sie hatte sie von orientalischen Königen geerbt. Eines Tages hatte sie Lust, die bekannten kostbaren Gastmähler von Mark Anton zu überbieten und ging mit ihm die Wette ein, dass sie während einer einzigen Mahlzeit zehn Millionen Sestertien verschwenden könne. Darauf verschluckte sie anlässlich des Gastmahls eine ihrer kostbaren Perlen. Und sie hätte ihr leichtsinniges Spiel weitergetrieben und auch die zweite Perle verschluckt, wenn nicht der Schiedsrichter eingegriffen und sie zur Siegerin erklärt hätte. Diese gerettete Perle liess Agrippa, der Feldherr von Augustus, teilen und die beiden Hälften in die Ohren der Venus des Pantheon einsetzen.Gerade in Rom herrschte zu dieser Zeit ein übertriebener Perlenluxus. Die Gemahlinnen, Geliebten und Mütter der römischen Feldherren waren bestrebt, sich gegenseitig mit prunkvollem Perlenschmuck zu überbieten, der aber zumeist aus geraubten Reichtümern der eroberten Provinzen stammte. Es dauerte aber nicht lange, da nannte beinahe jedes einfache Mädchen Perlen sein eigen und schmückte damit die Haare, die Arme und die Füsse. Viele Wissenschaftler und Kirchenväter des alten Roms lehnten sich gegen eine derartige Perlensucht auf und bekämpften sie. Daraufhin konnte man Perlen hauptsächlich wieder in adeligen Kreisen antreffen.Die deutsche Reichskrone, die aus der Zeit Karl’s des Grossen stammt, wie auch die ungarische Königskrone sind mit Perlen reich besetzt. Unter Christian IV. wurde die dänische Schatzkammer um viele wertvolle Perlenschmuckstücke reicher. Maria von Medici, die Gattin von Heinrich IV., trug anlässlich der Taufe ihres Sohnes ein Kleid, welches mit 3’000 Diamanten und 32’000 Perlen besetzt war. Die grösste Perle befindet sich aber in der Schatzkammer des persischen Kaiserhofes.

     

    Die Bildung und das Ende der Perlen
    Wie aber entsteht eine echte Perle? Wo bildet sie sich? Aus verschiedenen Berichten kann entnommen werden, dass schon Perlen in Austern und in See- und Gartenschnecken gefunden wurden. Die wertvollsten Perlen wachsen jedoch in der Meerperlenmuschel, die in den Meeren der heissen Zonen vorkommt. Früher war die Bildung der Perle ein grosses Rätsel. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts begannen die Naturwissenschaftler das Geheimnis um ihre Entstehung zu lüften.

    Die Perle ist eine abnorme Ablagerung der Schichten des Mantels der Muschel, welche zwischen der Schale und dem Leib des Weichtiere liegt und aus drei Schichten besteht: aus der äussersten Epidermisschicht, aus der mittleren Säulenschicht und aus der innersten Perlmutterschicht. Die Perle selbst besitzt die gleichen Schichten in umgekehrter Reihenfolge. Das Verletzen einer Kalk-ablagernden Schicht führt dazu, dass die Perle zur Hauptsache aus Kalziumkarbonat besteht und dass die eigentliche Perlenbildung beginnt.

    Es existiert noch eine zweite, sehr seltene Art der Entstehung der Perle. Sie hängt mit den Bildungs- und Wachstumsverhältnissen der Schale zusammen. Bei dieser Bildungsmöglichkeit geben hauptsächlich Moleküle der Epidermisschicht den Kern der Perle ab.

    Der Mittelpunikt des Perlenbildungsherdes wird von immer neu abgelagerten Schichten der Muschel umgeben, welche aus Zellen des Mantels oder des Gefäss-Systems der Muschel bestehen. Auf die Schichtenumlagerungen der Perle hat die Art des Gewässers des Standortes einen Einfluss. Die Quantität der Umlagerungsschichten beeinflusst die Grösse und
    die Form der Perle, währenddem die Qualität dieser Schichten über Brauchbarkeit und Wertlosigkeit der Perle bestimmt.

    Bei der Perle kann nicht einfach von einer Reifezeit gesprochen werden, denn eine mikroskopisch kleine Perle kann genau so reif sein, wie eine grosse Perle in einer Königskrone.

    Auch das Leben der Perle geht einmal zu Ende. Sofern sie nicht von den Menschen gesammel wird, bleibt sie bis zum Tod des Tieres in der Muschel und zerfällt dann. In vereinzelten Fällen kommt es vor, dass Perlen mit den Muscheln versteinern.

    Alle gefischten Perlen verlieren nach ungefähr 40 Jahren ihre ursprüngliche Farbe, ihren Glanz und ihr Gewicht. Sie vergilben und die Schichten blättern besonders dort ab, wo sich die Öffnungen für die Schnüre befinden. Die verschiedenen Perlenschichten reagieren sofort auf starke Säuren. Deshalb werden sie auch oft vom Schweiss des Perlen-Tragenden angegriffen und verlieren ihre Schönheit. Heute bestehen zum Trost der Perlenbesitzer Mittel, durch die der Wert und das Aussehen der Perle erhalten bleiben.

    Perlenarten
    Der Oberbegriff für die bekannteste und wertvollste Meerperlenmuschel besitzt den Namen Meleagrina. Sie kann aber verschiedene Perlen hervorbringen. Die Forscher entdeckten schon viele schwarze, graubraune, rotbraune, granatfarbene, rote, hellrosarote, purpurfarbene, violette, hellblaue, weissgrüne, gelbe und bleifarbene Perlen. Die vollkommenste Perle jedoch weist die Farbe der Perlmutterschicht des Mantels auf. Ihre milchweisse Färbung zeigt, dass diese Perle nebst dem Kern nur aus der Perlmutterschicht besteht. Sobald eine Perle dazu noch eine Säulenschicht enthält, wirkt sie gräulich.

    Daraus kann abgeleitet werden, dass die Perlmutterfarbe vom Aufbau und von der Oberfläche der Perle abhängt. Sie ist nicht glatt, sondern voll von feinen, mikroskopisch kleinen Erhöhungen und Vertiefungen. Sie sind eine Folge der Art des Wachstums der Perle. Die Linien laufen nicht gleichmässig um die Perle hereum und kommen wieder zusammen, sondern sie verlieren sich – insbesondere bei den kostbarsten Perlen – irgendwo auf der Oberfläche und verschmelzen mit anderen Linien. Die Furchen verursachen das Farbenspiel des Perlmutters.

    Den zweiten Wertfaktor, den Perlmutterlganz, verdankt die Perle der Zusammensetzung ihrer Masse aus dünnen Lagen, welche Licht durchlassen. Die vielen untereinander liegenden
    Schichten reflektieren das Licht, welches sich darauf mit dem Licht vermischt, welches die oberste Fläche unmitelbar zurückwirft. Je dünner und durchscheinender die Schichten sind, desto schöner ist der Glanz. Die orientalischen Meerperlen besitzen viel Wärme und Leben, währendem die nordischen Flussperlen kalt und matt  sind.

    Die Härte der Perle ist bei einer glänzenden Oberfläche grösser als bei einer matten. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass alle Perlenarten härter sind als Kalkspat. Die
    Perlmutter-farbenen Perlen sind die härtesten und wurden bei Untersuchungen erst von Apatit geritzt. Das ist ein Mineral, das in Kristallen als Phosphorit auftritt. Die Ursache, dass die Härte der Perlen grösser ist als diejenige des kohlensäure-haltigen Kalkes, aus dem die Perle grösstenteils chemisch besteht (ca. 88 %) ist die, dass die organischen Substanzen, welche die Perle ausserdem noch enthält, den Härtegrad erhöhen. Das spezifische Gewicht von frischen weissen Meerperlen variiert zwischen 2,650 und 2,686. Die Härte der Perlen liegt aber noch weit unter dem Härtegrad von Edelsteinen.

    Die Perlenfischerei und der Perlenhandel
    Die wichtigsten Fanggebiete für Meerperlmuscheln befinden sich im Persischen Golf, im Roten Meer, im Golf von Mexiko, in der Südsee, in der Fukienstrasse zwischen China und Formosa, an den Küsten von Japan und Neu-Guinea und nahe den Inselgruppen des Stillen Ozeans. Der älteste und perlenreichste Standort von Perlmuscheln befindet sich allerdings in Indien, und zwar im Golf von Manar. Dieser Meeresteil ist sehr seicht und sandig und zahlreiche flache Inseln, Klippen und Sandbänke schirmen ihn ab. Deshalb wird er nur wenig von starkem Wellengang und von Monsunen betroffen. Diese idealen Verhältnisse bewirken den grossen Perlenreichtum in Südostindien.
    Nach der Reise von Vasco da Gama fassten die Portugiesen im Jahre 1506 als erste Europäer Fuss in Ceylon. Sie kauften den einheimischen Perlenfischern die Perlen zu sehr niedrigen Preisen ab und brachten sie auf den europäischen Markt. Schon bald waren auf Ceylon 50’000 bis 60’000 Menschen angesiedelt: Taucher, Seeleute, Krämer und Kaufleute. Ungefähr 100 Jahre später übernahmen die Holländer die Kolonie Ceylon und förderten die Fischerei in den Perlenbänken von Manar. Amsterdam wurde zum grossen Umschlagsplatz für diesen kostbaren Schatz der Meeresgründe des fernen Orients. Die Perlenfischerei bildete für die Regierung eine willkommene Einnahmequelle, denn sie verkaufte die Lizenzen.

    Im Golf von Manar ruhen die wertvollsten Perlen in einer Tiefe von 1,5 bis 5 Metern. Die einheimischen Taucher fischen nur in diesen Gebieten, da sie diese aus alten Überlieferungen kenn
    und da sie die nötige Ausdauer und Kenntnisse besitzen, um neue Standorte zu finden. An der dürren Küste des Dekans, wo die Sonne unbarmherzig hereniedersengt, gibt es kaum einen schattigen Platz. Hier fanden schon viele waghalsige Perlen-Abenteurer den Tod.

    Die Hauptzeit des Perlenfischens ist auf die Monate März und April festgelegt, da zu dieser Zeit der Indische Ozean am ruhigsten ist. Schon im November untersuchen sachverständige Beamte die Bänke. Und einige Tage vor Beginn des Fischens werden die besten Stellen markiert. Das genaue Datum wird von der Regierung ausgerufen. Am betreffenden Tag erscheinen Hunderte von Tauchern mit ihren Booten und bauen ihre Hütten an der Küste auf. Beim Morgengrauen des Fangtages fahren sie zu den markierten Stellen und hängen zu beiden Seiten des Bootes an einem Holzgerüst das primitive Tauchgerät aus. Grosse Steine, die auf die Grösse des Tauchenden abgestimmt sind, hängen ins Wasser. Sie werden mit einem Tau umschlungen,
    welches am Ende eine Schlinge für den Fuss des Tauchers bildet. Mit dem linken Fuss hält der Taucher das Netz fest, solange er nach unten schwebt. Sobald er den Boden berührt, verlässt er sofort den Stein, wirft sich zu Boden und rafft Alles zusammen, was er erwischen kann und wirft es in das Netz. Inder er das Tau bewegt, gibt er den Oben-Stehenden das Zeichen, dass sie ihn heraufziehen können. Die Zeit des Untertauchens dauert 50 – 90 Sekunden. Die Taucher lösen sich ständig ab. Dieses Auf- und Niedertauchen verursacht einen so grossen Lärm, dass die gefährlichen Haifische verscheucht werden.

    Jeder Taucher lässt sich täglich ungefähr 60 Mal hinunter und schafft 1’000 bis 4’000 Muscheln herauf. Am Abend kehrt das Boot mit rund 30’000 Muscheln zurück. An Land werden die Muscheln ausgeladen, versprochene Anteile verteilt und der Rest verkauft. Grosse Mengen von Muscheln überlässt man in morschen Räumen der Fäulnis und nach drei Tagen – wenn die
    Muscheln zerfallen – häufen sich die Perlen an. Oft werden sie gerade an Ort und Stelle sortiert und gebohrt. Während den Wochen des Tauchens kkommen an diesen Küsten Menschen aller Kasten zusammen. Die einen suchen hier Arbeit, die anderen Vergnügen. Bald schon liegt die Küste wieder still und verlassen da, als ob hier nie eine Menschenseele gehaust hätte.

    Noch einige allgemeine Angaben zum Perlenhandel: Das Perlengewicht für den Handel wird in Gran angegeben. Die Aufteilung dieser Einheit konnte die Verfasserin dieses Vortrages nicht ermitteln. Es existieren keine Börsen für Perlen, obwohl sie wie Getreide in Säcken versandt werden. Heute sind Perlen mit ziemlich hohen Zöllen belastet. Früher, gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie noch grösstenteils zollfrei gehandelt.

    Die Perlenfischerei wurde vielerorts übertrieben, so dass viele Perlenbänke gegen das Ende des 19. Jahrhunderts bereits ruiniert waren. Die Angebote an Perlen gingen zurück, doch die Nachfrage stieg an.

  3. Die Kultur- oder Zuchtperlen
    Der Begründer Mikimoto Kokichi
    In dieser kritischen Zeit, im Jahre 1858, wurde Mikimoto Kokichi in Tokio als Sohn eines Nudelnhändlers geboren. Er erbte von seinem Vater die Gabe, erfolgreich Handel zu betreiben. Als er 23 Jahre alt war, erfuhr er eines Tages von der Ankunft chinesischer Kaufleute. Da er wusste, dass die Küste vor Toba (bei Tokio) perlenreich ist, forderte er alle Einwohner auf, Muscheln zu sammeln und nach Perlen zu tauchen. Dann kaufte er mit seinem letzten Geld die gesamten Funde auf und machte ein glänzendes Geschäft, indem er die Perlen mit grossem Gewinn den chinesischen Kaufleuten verkaufte. Mikimoto war der Held des Tages und wurde bald darauf zum Stadtrat von Tokio ernannt. Nebst der Politik beschäftigte er sich immer wieder mit
    der Frage, warum die Jagt nach Perlen so sehr vom Zufall und von den Naturverhältnisse abhängt. Er hatte schon oft in wissenschaftlichen Büchern gelesen, dass seit Jahrhunderten
    Versuche gemacht worden waren, Perlen künstlich zu erzeugen und somit das Angebot auszugleichen. Diese Arbeiten waren jedoch bisher stets ohne Erfolg geblieben.
    Pionierarbeit auf dem Weg zum Erfolg
    Mikimoto begann mit grossem Eifer Perlmuscheln und Perlen zu sammeln. Im Jahre 1890 wurde er Leiter einer Ausstellung und hatte dort Gelegenheit, seine schönsten Sammlerstücke zu zeigen. Auf dieser Ausstellung sah er eine Flussmuchel, in die eine Perlmutter-Buddhafigur hineingewachsen war. Er kaufte sie, denn das Problem, wie der Buddha in die Muschelwand gekommen war, beschäftigte ihn Tag und Nacht. Voller Neugierde brach er eines Tages die Muschel entzwei und entdeckte zu seinem Erstaunen, dass der vermeintliche Perlenbuddha in Wirklichkeit nur eine winzige, billige Glass-Buddhafigur war, welche von einer dünnen Perlmutterschicht bedeckt wurde.Noch am gleichen Tag suchte er einen bekannten Zoologieprofessor auf und verlangte von ihm eine Erklärung. Diese war theoretisch sehr einfach: Der kleine Glasbuddha wurde in eine Muschel eingesetzt und dann – wie dies auch bei der Naturperle der Fall ist – die Perlmutter umschwitzt. Der Wissenschaftler erzählte weiter, dass das gleiche auch mit runden Körnchen geschehen könne. Er warnte jedoch Mikimoto, sich falsche Hoffnungen zu machen, denn alle bisherigen Zuchtperlen waren unförmig und matt und sie hatten einen sehr niedrigen kommerziellen Wert.
    Sofort kehrte Mikimoto unternehmungslustig nach Toba zurück, denn er wusste nun genug, um seinen grossen Traum von einer eigenen Perlenzucht in die Wirklichzeit umzusetzen. Er verkaufte sein gesamtes Hab und Gut und seine Perlensammlung und zog mit seiner Familie auf die einsame Insel Tatokujima, weil er hoffte, dort das Geheimnis der runden Perlen zu finden. Monatelang suchte die Familie Mikimoto nach jungen, lebenden Muscheln. Als schon ganze Muschelberge aufgeschichtet waren, operierte Mikimoto nacheinander 3’000 Muscheln. Darauf setzte er winzige Perlmutterkörnchen in das Fleisch der Muscheln und versenkte alle an einer ihm vertrauten Stelle im Meer. Mikimoto wartete 4 Jahre und operierte in dieser Zeit ununterbrochen weitere Muscheln.Endlich, im Jahre 1894, war es soweit. Die ganze Familie half mit, die Perlen aus dem Meer zu holen. Dann begann Mikimoto die Muscheln zu öffnen. Die Frau und die Kinder trugen ihre Festtags-Kimonos und schautem dem Vater erwartungsvoll zu. Doch schon bald spiegelte sich auf allen Gesichtern die Enttäuschung, denn drei Viertel der Ernte  waren durch Polypen und Seegras zerstört. Der Rest der Muscheln barg nur unvollständige Perlen. Der grösste Teil des Familienvermögens war aufgebraucht.Obwohl die Einwohner von Toba Mikimoto baten, in die Stadt zurückzukehren, beschloss er, bis zur Erreichung seines Zieles auf der Insel auszuharren. Als seine Frau bald darauf starb, nahm er den Kampf um die Zuchtperle allein auf. Mikimoto arbeitete unermüdlich und versenkte alle 6 Monate neue Perlen. Jede Ernte fiel besser aus und die Perlen wurden runder, leuchtender und farbenvoller. Sie erreichten jedoch noch lange nicht den Glanz der Naturperle und deren symmetrische Kreisförmigkeit.Da Mikimotos Name für die Wissenschaftler nun schon ein Begriff war, kamen viele Professoren aus Tokio zu ihm und halfen ihm bei der Arbeit. Im Jahre 1905 wurde ihm die grösste Ehre
    zuteil, die ein Japaner erleben kann. Der Kaiser Meiji interessierte sich für die Zuchtperle und lud Mikimoto an seinen Hof, um von ihm die neue Methode zu erfahren. Die Begegnung mit dem Kaiser gab Mikimoto neuen Mut.

     

    Er schickte seine halbvollendeten Perlen nach Europa. Dort wurden sie an Ausstellungen bewundert, errangen Medaillen; doch sie bildeten bei weiterm noch keine Sensation. Mikimoto war unglücklich, denn er war ein gefeierter Mann, ohne sein gesetztes Ziel erereicht zu haben. Er experimentierte weiter und liess fortan jede Verbesserung seiner Methode patentieren.

    Endlich, nach 23-jährigem pausenlosem Schaffen brachte die Ernte von 1913 vollständig rude Perlen hervor, deren Symmetrie sogar die Naturperle übertraf. Mikimoto lud alle Gelehrten aus Tokio ein und sie bestätigten einstimmig, dass seine Perle einwandfrei der Naturperle ebenbürtig sei. Die Urkunde aus dem Kaiserlichen Patentamt beschreibt die Methode von Mikimoto.

    Die Industrialisierung der Perle und der Durchbruch zum Weltmarkt
    Mikimoto stellte sich Fragen über Fragen. Wie wird die Welt die Sensation aufnehmen? Wird sie seine Perlen als echte Perlen akzeptieren? Werden ihm wohl Andere trotz der Patentierung die Methode stehlen?

    Mikimoto bat die japanischen Professoren und Handelskammern um Rat. Schliesslich wurde beschlossen, die Perlen vorläufig nicht ins Ausland zu schicken, um vorher die technischen
    Möglichkeiten einer raschen Riesenproduktion zu sichern. Er kaufte in allen japanischen Meeresbuchten, in welchen Perlmuscheln leben, die Fischereirechte auf. Er liess Milliarden von operierten Muscheln ins Meer versenken. In Toba wurde das Hauptquartier der Firma Mikimoto angelegt. Die Gebäude schossen wie Pilze aus dem Boden. Es entstanden Häuser, in denen nur Perlen operiert wurden; aber auch solche, in den Perlen gezählt, sortiert, elektrisch durchbohrt und auf Fäden gezogen wurden.

    Erst als dieser Industrieapparat aufgezogen war, brachte Mikimoto die erfolgreiche Ernte von 1913 auf den europäischen Markt. Die japanische Zuchtperle kam nach Paris. Die Juweliere von ganz Europa bekamen einen Schock, denn die Makellosigkeit dieser Perle erschreckte sie. Aus den Patenten konnten sie entnehmen, dass Mikimoto nun unerschöpflich echten Perlen züchten kann. Sie begriffen, dass diese Tatsache zur Entwertung der Naturperle führen musste, und dass durch die Zuchtperle ganze Familienvermögen zerfallen könnten. Die Juweliere von Paris begannen mit der Abwehraktion, indem sie die Zuchtperle als Imitation bezeichneten und die Weltpresse gegen sie alarmierte. Sie forderten gerichtliche Entscheidungen. Mikimoto selbst blieb ruhig und beantwortete ihre Schlagworte mit seinen Schlagworten. „Ihr sagt, ich entwerte die Perle? Ihr sagt, Zuchtperlen seien eine Imitation? Sind denn eure gezüchteten Silberfüche und Edelmarder auch Imitationen? Felle und Perlen sind tierische Produkte. Ihr züchtet für die Frauen Silberfüchse, ich Perlen. Das ist alles.“

    Die Welt horchte auf. Die Juweliere gaben sich geschlagen und bestellten japanische Perlen, ohne die Gerichtsentscheidungen abzuwarten. In Mikimotos Industriezentrum in Toba trafen unzählige Aufträge ein und die Produktion begann. Die Gerichte wussten keinen Ausweg mehr und riefen die Wissenschaftler zu Hilfe. Sie sprachen die japanische Zuchtperle frei und die bedeutendsten Professoren der Welt erklärten, dass die Kulturperle keine Imitation sei.

    Massnahmen zur Deckung der Nachfrage
    Mikimoto hatte gesiegt. Die Stadt Toba blühte auf. Mikimoto wurde Senator und später auch Mitglied des Herrenhauses. Er errichtete seine Niederlassungen in den elegantesten Geschäftsstrasse der bekannten Weltstädte. Während des 2. Weltkrieges stand die Prouktion beinahe still. Edoch in den Nachkriegsjahren wuchs die Nachfrage so gewaltig an, dass Mikimoto in seine 14 Meeresbuchten nicht mehr genug Muscheln finden konnte. Aus diesem Grund beschloss er, auch Muscheln zu züchten. Die Seidenraupenindustrie war ihm dabei das grosse Vorbild. Er gedachte, Larven zu Muscheln zu ziehen, welche Perlen produzieren. Er begab sich für einige Monate auf seine Insel und kam nach verhältnismässig kurzer Zeit mit seiner gelungenen Erfindung zurück.

    Bisher waren die Larven wild im Meer herumgeschwommen und die Taucher hatten die Muscheln dort gefunden, wo sie sich zufälligerweise aufhielten. Mikimotos neue Errungenschft beruhte nun darauf, dass in den Larvenmonaten Juli bis Oktober der Meeresboden seiner Buchten mit Leim bestrichen und mit Larvenfangapparaten belegt wird, an die sic die schwimmenden Larven
    ansaugen. Im Oktober werden die Apparate heraufgezogen. Jeder kann ungefähr 16’000 bis 20’000 Larven fangen. Die frischen Larven werden in sogenannte Muschelkindergärten gebracht. Sie bleiben hier, bis sie zur dreijährigen Muschel ausgewachsen sind. Darauf wird an ihnen die bereits von Mikimoto praktizierte Operation vorgenommen.

    Die Zuchtperle im heutigen Handel und ihre Konkurrenten
    Mikimoto war es gelungen, nebst der Naturperle und der billigen künstlichen Perle die dritte Art, nämlich die Zucht- und Kulturperle, auf den Markt zu bringen. In seinen Werken beschäftigt er grösstenteils Arbeiterinnen. Zu ihnen gehören auch Taucherinnen, denn Mikimoto liess die natürlichen Vorräte des Meeres bestehen. Das Tauchen ist eine Arbeit, welche zumeist von der Mutter zur Tochter übertragen wird. Die Anlernzeit dauert 5 Jahre. Danach besteht die Aufgabe darin, die natürlich vorkommenden Larven, die zur Muschel herangewachsen sind, vom Meeresboden heraufzuholen.

    Die Arbeiterinnen von Mikimoto nehmen für Perlenketten, die nach Europa kommen sollen, Perlen mit auserlesenem Glanz und wunderbarer Farbe, welche jedoch eine kleine Imperfektion in der Grösse oder Form aufweisen. Der Grund dieser Massnahme liegt darin, dass das einzig „künstliche“ an den Zuchtperlen die übergrosse Perfektion ist und dass sie deshalb leicht Gefahr laufen würde, imitiert zu wirken. In Wirklichkeit jedoch besteht der einzige Unterschied zwischen ihr und der Naturperle in einer winzigen Abweichung im spezifischen Gewicht, welche nur von einem spezialisierten Wissenschaftler wahrgenommen werden kann. Warum also soll die Frau von heute nicht Zuchtperlen kaufen? Zudem beträgt der Preis der Zuchtperle ungefähr einen Viertel von demjenigen der Naturperle. Dieser Preisunterschied, dere heute handelsüblich ist, wurde geschaffen, um den mächtig gesunkenen Wert von Naturperlen noch zu retten.

    Mikimoto könnte der Naturperle zwar schaden, indem er den Weltmarkt mit Zuchtperlen überschwemmt; aber vernichten könnte er sie nicht. Mit einer Massenproduktion wurde er schlussendlich nur seinen eigenen Preisen schaden, die er zum grössten Teil selbst bestimmen kann. Die Perle von Mikimoto ist heute nicht mehr die einzige Zuchtperle. Einige ausländische
    Konkurrenzunternehmungen eigneten sich das Verfahren von Mikimoto an, denn Patente gewähren bekanntlich keinen allzu sicheren Schutz. Sie bauten neue Perlenindustrien auf. Mikimoto, der Perlenkönig, sieht in ihnen keine ernste und gefährliche Konkurrenz, denn wenn es auf die Masse der Perlen ankommt, trägt er dank seinen genialen Nebenerfindungen gewiss den Sieg davon, ist doch seine jährliche Produktion an Perlen schon auf 4 – 5 Millionen gestiegen.

    Quellennachweis für diesen Vortrag:

  • Perlenfischerei“ von Dorpat
  • Die echten Perlen“ von Dr. K. Möbius
  • Die Perlmuscheln und ihre Perlen“ von Th.v. Hessling
  • Die Entstehung der Kulturperlen“ (Broschüre mit Zusammenfassung aus dem Buch „Japan: gestern, heute, morgen“)
  • Pearls“ (kleine engl. Broschüre, Urheber nicht bekannt)