Allgemein,  Natur

Freiheitsliebend, aber treu

Eines Nachts in der zweiten April-Hälfte hat mir unser Gastkater Rugeli einen Riesenschrecken eingejagt. Wie so oft kam er hungrig von draussen her, als ich – weil er überhaupt nicht jammerte – fast zufällig bemerkte, dass sein Ober- und Hinterkopf total lädiert war: Ein Marder hatte ihn so zugerichtet, wie sich später herausstellte. Im Moment sah ich einfach, dass hier tierärztliche Hilfe angesagt war. Aber woher, wenn ich nicht die Fahrt ins Tierspital Zürich machen wollte?

Dank Internet fand ich heraus, dass der Tierarzt Dr. Bilkei zwar seine Praxis in Dübendorf, die Notfallstelle jedoch an seinem Wohnort im Nachbarort Grafstal hat. Trotz bald mitternächtlicher Stunde genügte ein Anruf und auch nachbarschaftliche Hilfe fand ich um diese Uhrzeit, da ich mangels Katzentransportkistchen eine Begleitung für den Transport brauchte. Wir kamen grad noch rechtzeitig und der arg zugerichtete Rugeli wurde von Dr. Bilkei umgehend notfallmässig operiert. Eigentlich war vorgesehen, dass Rugeli danach 1 Woche bei Familie Bilkei in Obhut bleibt.

Aber da hatten wir die Rechnung ohne den freiheitsliebenden Rugeli gemacht. Er regte sich über die unfreiwillige Gefangenschaft derart auf, dass ich ihn wieder nach Hause holen und dort mit Halskrause nach draussen lassen musste. Dieser Schutz um den Kopf des Katers war unerlässlich, muss aber Rugeli furchtbar genervt haben. Tag für Tag und Woche für Woche sah die Krause demolierter aus, da Rugeli keine Gelegenheit verpasste, um daran herum zu hantieren. Trotzdem liess er sich mit Tricks ins inzwischen bei Dr. Bilkei erworbene Transportkistchen hieven und die wöchentlichen Arztkontrollen über sich ergehen, um nach der Heimkehr gleich wieder zu verschwinden. Und wie es so ist mit freiheitsliebenden Katern: Rugeli bestimmte, wann diese Kontrollen stattfanden und nicht ein vorgegebener Arzttermin. Entsprechend wurden das jedes Mal Nachteinsätze für Dr. Bilkei. So fuhr ich denn 4 Wochen lang jeweils zwischen 23 h und Mitternacht mit Rugeli nach Grafstal und schämte mich jeweils fast für die nächtliche Ruhestörung. Aber Dr. Bilkei hatte diesen freiheitsliebenden und dennoch sehr sozialen und umgänglichen Kater derart in sein Herz geschlossen, dass er sich jeweils an ihm und dem guten Heilungsverlauf freute. 

Rugeli selbst freute sich, als nach über 1 Monat die Halskrause entfernt werden konnte. Endlich war dieses lästige Ding weg! Daheim angekommen (selbstverständlich auch mitten in der Nacht) machte er sich noch hungrig über sein Futter her, um danach zu verschwinden – für immer, nahm ich nach all den Torturen an. Diese Annahme wurde immer wahrscheinlicher, da die Tage vergingen, ohne dass Rugeli wieder auftauchte. Als ich über Pfingsten mit einer Sommergrippe und hohem Fieber im Bett lag, hörte ich plötzlich ein leises Räuspern neben meinem Bett. Es war Rugeli, der sich danach die ganze Nacht über und bis in den nächsten Tag hinein auf einen Sessel neben meinem Bett legte und jetzt auf mich aufpasste: ein richtiggehender Rollentausch – das nenne ich Treue eines freiheitsliebenden Katers. Und Rugeli kommt jetzt wieder regelmässig zu Besuch – als wäre nichts gewesen.